Obdachlosigkeit und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen

Einleitung

Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind. Er bietet einen Überblick über die wichtigsten Aspekte, die bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen für Drogen konsumierende Obdachlose zu berücksichtigen sind, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet.

Zuletzt aktualisiert: 8. Dezember 2022.

Deckblatt Kurzleitfaden zum Thema Obdachlosigkeit und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen

Gehalt:

Überblick

Kernpunkte

Obdachlosigkeit gilt als intensive Form der sozialen Ausgrenzung. Sie wirkt sich negativ auf die körperliche und geistige Gesundheit, die Lebensqualität und den Zugang zu Beschäftigung und anderen wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Hilfsangeboten aus. Es bestehen jedoch große Unterschiede bei der Definition des Begriffs Obdachlosigkeit. Dies hat zu einer Reihe von Herausforderungen geführt, z. B. bei der Bewertung der Prävalenz von Obdachlosigkeit und dem Vergleich solcher Bewertungen innerhalb von und zwischen Ländern. Obdachlos sind im Großen und Ganzen Personen ohne festen, dauerhaften und akzeptablen Wohnraum oder Personen, denen es an Aussicht, Mitteln und Möglichkeiten fehlt, einen solchen Wohnraum zu erhalten. Unter diesen Umständen sind Drogenkonsumierende mit sich überschneidenden sozialen, psychischen und physischen Gesundheitsrisiken konfrontiert, die ihre Morbidität und Mortalität deutlich erhöhen.

Der Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit und Drogenkonsum ist komplex, wobei hinsichtlich der Prävalenz des hochriskanten Drogenkonsums bei Gruppen von Obdachlosen erhebliche Unterschiede bestehen. So gibt es beispielsweise eine eindeutige Überschneidung zwischen Obdachlosigkeit und hochriskantem Drogenkonsum in den beiden unterschiedlichen Gruppen von Menschen, die langfristig (chronisch) und wiederholt (episodisch) obdachlos sind. Demgegenüber scheint der hochriskante Drogenkonsum bei Personen, die kurzzeitig oder vorübergehend obdachlos sind, nicht höher zu sein als in der allgemeinen Bevölkerung. Wichtig ist, dass Drogenkonsum und Obdachlosigkeit in zwei Richtungen ineinandergreifen: Sie können Ursache und Folge für einander sein.

Es mangelt an Informationen über bestimmte von Obdachlosigkeit betroffene Personengruppen, darunter Frauen, Jugendliche, Kinder, Flüchtlinge und Migranten, insbesondere im Hinblick auf die Substanzkonsummuster. Daher sind einige dieser Gruppen bei der Erhebung von Daten über Obdachlosigkeit möglicherweise unterrepräsentiert und werden von den bestehenden Hilfsangeboten möglicherweise nicht erfasst.

Evidenzdaten und Maßnahmen

Insgesamt gibt es in Europa keine einheitlichen oder vereinbarten Maßnahmen für Menschen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren. Diese Gruppe nutzt in der Regel allgemeine niedrigschwellige Obdachlosen- und Suchthilfeangebote, bei denen sie bisweilen einen großen Anteil an den Dienstbenutzern stellen. Diese Angebote umfassen Drogenkonsumräume, die Behandlung mit Opioidagonisten, Nadel- und Spritzenaustauschprogramme sowie mobile Kliniken. Wirksame Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren, sind wegen des fehlenden festen Wohnortes eine Herausforderung. Für diese Gruppe bestehen häufig erhebliche Hindernisse beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Drogenbehandlungen und zu sozialen Diensten.

Die Leitlinien für wirksame Drogenhilfsangebote für Obdachlose konzentrieren sich in der Regel auf feste Unterkünfte, die Bereitstellung von Angeboten zur Schadensminimierung und integrierte Strategien. Eine feste Unterkunft gilt häufig als grundlegender Bestandteil der Behandlung und der sozialen Integration, da die Entlassung von Menschen aus der Behandlung in ein Umfeld, in dem sie obdachlos sind, oder eine Behandlung ohne Unterkunft zu weiteren Schäden führen kann. Die Schadensminimierung für Personen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren, lässt sich am besten über niedrigschwellige Dienste erreichen, wenn der Zugang schnell und einfach und auf die Bedürfnisse der Benutzer abgestimmt ist. Integrierte Strategien gehen über Einzelmodellmaßnahmen wie etwa Kliniken, die nur eine bestimmte Form der Behandlung anbieten, hinaus. Stattdessen bilden sie ein Netzwerk miteinander verknüpfter Unterstützungsleistungen, indem sie verschiedene Dienste (z. B. Wohnraum, Drogenbehandlung und psychosoziale Dienste) auf der Grundlage der Bedürfnisse der Benutzer miteinander verbinden.

Die Situation in Europa

In Europa waren vor der COVID-19-Pandemie schätzungsweise 700 000 Menschen obdachlos. Dabei variiert die Art der Obdachlosigkeit regional, da kulturelle Einstellungen, Stigmatisierung und unterschiedliche Hilfsangebote Einfluss darauf haben, was es bedeutet, Obdachlosigkeit zu erfahren, und welche Dienste in Anspruch genommen werden können. Wo es Hilfsangebote für Obdachlose gibt, gibt es große Unterschiede im Sektor und bei den darin angebotenen Diensten. Da die Daten häufig nicht auf nationaler Ebene erhoben oder analysiert werden, gibt es für die Europäische Union oder die einzelnen Mitgliedstaaten kein klares, umfassendes Bild von der Leistungserbringung für Obdachlose im Allgemeinen und für Drogen konsumierende Obdachlose im Besonderen.

Auf EU-Ebene hat das Europäische Parlament gefordert, die Obdachlosigkeit im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu beenden. Auf Ebene der Mitgliedstaaten sind in vielen europäischen Ländern Obdachlose von den nationalen drogenpolitischen Aktionsplänen umfasst. Einige Länder haben spezielle Dienstleistungen für diese Personengruppe in ihre nationalen Rahmenpläne aufgenommen, während andere durch die Nutzung allgemeiner Sozial-, Gesundheits- und Suchthilfedienste auf die Bedürfnisse dieser Gruppe eingehen. Während das Hilfsangebot für bestimmte Untergruppen von Drogen konsumierenden Obdachlosen, darunter Jugendliche, Kinder, Frauen und Migranten, in Europa offenbar nicht weit verbreitet ist, gibt es in einzelnen Ländern Ausnahmen.

COVID-19 hat wichtige Fragen dazu aufgeworfen, wie Obdachlosendienste in Zukunft funktionieren werden. Zwar hat COVID-19 viele Schwachstellen bei der Erbringung von Gesundheits- und Sozialdiensten aufzeigte, in manchen europäischen Ländern hat die Reaktion auf die Pandemie jedoch positive Entwicklungen für Obdachlose hervorgebracht. In einigen Ländern hat sich der Zugang zu Wohnraum verbessert, der Zugang zu Maßnahmen zur Schadensminimierung wurde erweitert und einige Beschränkungen der Drogenbehandlung wurden gelockert.

Kernpunkte im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum

Obdachlose sind eine heterogene Gruppe von Menschen, die jedoch in der Regel unter Bedingungen leben, unter denen sie mit einer Reihe von sozialen, psychischen und physischen Gesundheitsrisiken konfrontiert sind, die die Morbidität und Mortalität deutlich erhöhen können. Aufgrund ihres sozioökonomischen Status sind sie möglicherweise auch besonders anfällig für eine schlechte Gesundheit – ein Faktor, der durch die Hindernisse, denen sie beim Zugang zur Gesundheitsversorgung häufig gegenüberstehen, noch verschärft wird. In diesem Gesamtzusammenhang kann der Drogenkonsum bei einigen Gruppen von Obdachlosen extrem riskant sein.

Obdachlosigkeit kann auf unterschiedliche Weise definiert werden. Dies kann die Beobachtung des Drogenkonsums bei Personen, die diese Form der sozialen Ausgrenzung erfahren, zu einer Herausforderung machen.

In diesem Zusammenhang ist die Europäische Typologie für Obdachlosigkeit (ETHOS) hilfreich. Darin werden vier Kategorien von Obdachlosigkeit und Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt vorgeschlagen:

  • Obdachlosigkeit (z. B. Menschen, die auf der Straße leben oder nachts in einer Unterkunft unterkommen);
  • Wohnungslosigkeit (z. B. Menschen, die in einer Unterkunft für Obdachlose leben);
  • Ungesichertes Wohnen (z. B. Menschen, die in ihrer Wohnung von Gewalt oder Zwangsräumung bedroht sind);
  • Ungenügendes Wohnen (z. B. Menschen, die in Wohnraum leben, der extrem überbelegt ist).

Koexistenz von hochriskantem Drogenkonsum und psychischen Gesundheitsproblemen

Obdachlosigkeit kann auf eine Kombination aus strukturellen Faktoren, Systemversagen und individuellen Umständen zurückzuführen sein. Neben einer Reihe anderer gesundheitlicher und sozialer Herausforderungen sind Abhängigkeit und andere Probleme im Zusammenhang mit Substanzkonsum und psychischen Gesundheitsproblemen für diese Bevölkerungsgruppe zwei häufige Probleme. Der Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit und hochriskantem Drogenkonsum ist komplex. Hochriskanter Drogenkonsum kann das Risiko für Obdachlosigkeit erhöhen, aber auch durch die Erfahrung mit Obdachlosigkeit verursacht und verschärft werden. Der Zusammenhang mit dem hochriskanten Drogenkonsum ist bei bestimmten Gruppen konsistenter als bei anderen, insbesondere bei von langfristiger (chronischer) und wiederholter (episodischer) Obdachlosigkeit Betroffenen. Der Substanzkonsum unter bestimmten Obdachlosengruppen, z. B. junge Menschen, Frauen, Flüchtlinge und Migranten, ist nach wie vor unzureichend untersucht.

Psychische Gesundheitsprobleme werden häufig bei Obdachlosen beobachtet, und es gibt Hinweise darauf, dass es um die psychische Gesundheit umso schlechter bestellt ist, je schwerer der Grad der Obdachlosigkeit ist, etwa bei von langfristiger und wiederholter Obdachlosigkeit Betroffenen. Wie beim hochriskanten Drogenkonsum ist die Richtung der Kausalität nicht klar. Einige Studien deuten darauf hin, dass psychische Probleme das Obdachlosigkeitsrisiko erhöhen können, während andere darauf hinweisen, dass Obdachlosigkeit das Risiko psychischer Gesundheitsprobleme erhöhen kann. Auch die Reichweite der lokalen und nationalen Sozialsysteme dürfte eine Rolle spielen. Insgesamt gehören Menschen, die obdachlos sind und an psychischen Erkrankungen leiden, zu den am stärksten stigmatisierten Menschen in der Gesellschaft, was sich noch verschärft, wenn sie dazu noch Drogen konsumieren. Die Stigmatisierung stellt für diese Gruppen ein großes Hindernis beim Zugang zu Gesundheitsdiensten dar.

Langfristige und wiederholte Obdachlosigkeit

Menschen, die seit langem oder wiederholt obdachlos sind – und vermehrt hochriskant Drogen konsumieren und an schweren psychischen Erkrankungen leiden –, stellen in vielen Ländern einen wichtigen Schwerpunkt der Maßnahmen dar. Diese Menschen leben unter Umständen längere Zeit auf der Straße oder in Notunterkünften. Diese Gruppen sind in der Regel auch mit Langzeitarbeitslosigkeit und einer erhöhten Anzahl an Kontakten zur Strafjustiz in Zusammenhang zu bringen. Bei diesen Gruppen scheint es einen „sich gegenseitig verstärkenden“ Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit, hochriskantem Drogenkonsum, schweren psychischen Erkrankungen und schlechter körperlicher Gesundheit zu geben.

Es wird davon ausgegangen, dass etwa 20 % aller Obdachlosen langfristig und wiederholt obdachlos sind. Diese Gruppen sind Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten, insbesondere zu den Zusammenhängen zwischen Obdachlosigkeit und hochriskantem Drogenkonsum.

Kurzzeitige Obdachlosigkeit

Kurzzeitige Obdachlosigkeitserfahrungen, manchmal auch als vorübergehende Obdachlosigkeit bezeichnet, werden in der Regel nicht mit hochriskantem Drogenkonsum in Verbindung gebracht. Zwar ist die europäische Forschungslage deutlich beschränkt, die verfügbaren Daten deuten jedoch darauf hin, dass ein hochriskanter Drogenkonsum nicht häufiger auftritt als in der Allgemeinbevölkerung, wenn Obdachlosigkeit in erster Linie auf wirtschaftliche und soziale Faktoren zurückzuführen ist und die Person letztlich in der Lage ist, sich selbst aus der Obdachlosigkeit zu befreien. Die sich überschneidenden sozialen, psychischen und physischen Gesundheitsprobleme, denen Obdachlose ausgesetzt sind, können jedoch die Risiken im Zusammenhang mit problematischem Drogenkonsum verschärfen.

Frauen und Obdachlosigkeit

Das Geschlecht wird mit unterschiedlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit in Verbindung gebracht. Bei Frauen kann sich langfristige und wiederholte Obdachlosigkeit in Form mehrerer oder längerer Aufenthalte bei Freunden, Verwandten und Bekannten und dem Wechsel zwischen prekären Wohnverhältnissen äußern. Daher sind obdachlose Frauen bei der Datenerhebung und Forschung möglicherweise unterrepräsentiert, da sie im Allgemeinen weniger häufig Hilfsangebote für Obdachlose in Anspruch nehmen und seltener auf der Straße leben.

Frauen, die langfristig und wiederholt obdachlos sind, haben wahrscheinlich andere Bedürfnisse als Männer. So benötigen sie beispielsweise aufgrund von Erfahrungen mit häuslicher und geschlechtsbezogene Gewalt eine geschlechtsspezifische, traumaorientierte Betreuung. Darüber hinaus sind sie bei Obdachlosigkeit möglicherweise stärker gefährdet, Opfer von Gewalt und Ausbeutung zu werden. So können sie beispielsweise aufgrund missbräuchlicher Beziehungen in unsicheren Wohnverhältnissen leben. Aufgrund der weit verbreiteten Stigmatisierung und des Mangels an Diensten mit einem geschlechtsorientierten Ansatz ist es jedoch weniger wahrscheinlich, dass sie Hilfe in Anspruch nehmen.

Die Drogenkonsummuster von obdachlosen Frauen unterscheiden sich mitunter von denen von Männern. Bei Frauen ist es beispielsweise wahrscheinlicher, dass sie in einem jüngeren Alter Heroin konsumieren, Drogen injizieren und über Sexualpartner an Drogen herangeführt werden. Traumata und geschlechtsbezogene Gewalt können ebenfalls potenzielle Faktoren für einen hochriskanten Drogenkonsum sein. Wirksame Maßnahmen im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit und Drogenkonsum müssen daher möglicherweise einen geschlechtsspezifischen Ansatz verfolgen. Insbesondere fehlt es bei den Unterstützungsangeboten für Drogen konsumierende Obdachlose an solchen, die sich explizit an Frauen richten. Es gibt Hinweise darauf, dass Frauen manchmal keine andere Wahl haben, als auf Dienste zurückzugreifen, bei denen sie sich möglicherweise gefährdet und unsicher fühlen (siehe Frauen und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen).

Evidenzdaten und Maßnahmen zur Bewältigung drogenbedingter Probleme bei Obdachlosen

Größte Herausforderung für wirksame Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren, ist das Fehlen eines festen Wohnsitzes. Bessere Ergebnisse im Gesundheits- und Sozialbereich und die Schadensminimierung werden dadurch erschwert. Instabilität, Unsicherheit, ungewollte Ortswechsel, Aussetzung gegenüber mehreren Risiko- und Stressquellen, undiagnostizierte und ungedeckte Behandlungsbedürfnisse im Bereich der körperlichen und geistigen Gesundheit sowie schlicht der Mangel an einem sicheren, festen und angemessenen Ort zum Schlafen sind Herausforderungen für wirksame Maßnahmen für diese Gruppe.

Manche Drogenbehandlungsdienste arbeiten nicht mit Menschen, die obdachlos sind oder an einer schweren psychischen Erkrankung leiden, und manche Dienste im Bereich der psychischen Gesundheit arbeiten nicht mit Menschen, die hochriskant Drogen konsumieren. Dies kann zusätzliche Hindernisse für die allgemeine Bereitstellung von Gesundheits- und Drogenbehandlungsdiensten für Menschen schaffen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren. So ist es beispielsweise bei manchen Behandlungsdienste Voraussetzung für die Behandlung, dass neue Patienten einen festen oder dauerhaften Wohnsitz haben.  Der Zugang zu Wohnraum kann für Drogenkonsumierende ebenfalls eine Herausforderung darstellen. So gestatten beispielsweise einige temporäre Unterkünften keinen Konsum vor Ort und nehmen keine Menschen auf, die unter Drogen stehen.

In Europa gibt es keine einheitlichen Maßnahmen für Menschen, die obdachlos sind und Drogen konsumieren. Obdachlosendienste arbeiten mancherorts in Abstimmung mit den allgemeinen Gesundheits- und Sozialsystemen. Für Menschen, die auf der Straße oder in Notunterkünften leben, gibt es manchmal auch spezielle Hilfsangebote in den Bereichen Sucht, psychische Gesundheit und sonstige Gesundheitsdienste , die vom Staat, von Wohltätigkeitsorganisationen oder beiden finanziert werden. Die Maßnahmen können relativ koordiniert sein, mancherorts gibt es aber auch überhaupt keine spezifischen Dienste. Insgesamt sind die Obdachlosendienste viel vielfältiger und uneinheitlicher und unterliegen extremen Schwankungen in Bezug auf die verfügbaren Ressourcen, als dies bei anderen Gesundheits- und Sozialdiensten der Fall ist.

Im Allgemeinen fehlt es an Diensten, die sich speziell an Personen richten, die obdachlos sind und Drogen konsumieren. Daher nutzen diese Menschen in der Regel andere niedrigschwellige Obdachlosenangebote oder Drogendienste. Bisweilen stellen sie einen großen Anteil der Benutzer von Diensten, die auf die am stärksten gefährdeten, marginalisierten Gruppen von Drogenkonsumenten ausgerichtet sind, etwa Drogenkonsumräume, mobile Einrichtungen zur Schadensminimierung sowie Nadel- und Spritzenaustauschprogramme. Diese Dienste verfügen mitunter über spezielle Angebote, die auf die Bedürfnisse von Obdachlosen zugeschnitten sind. So können beispielsweise Drogenkonsumräume Lebensmittel, Zugang zu Duschen, Schließfächern und Kleidung bieten und mit Übernachtungsunterkünften verbunden sein. Im weiteren Sinne können sie auch die Überweisung an Sozialprogramme und andere Behandlungsprogramme erleichtern, von denen manche auf Obdachlose ausgerichtet sein.

Leitprinzipien für wirksame Dienstleistungen

Diejenigen, die auf die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppe eingehen, nennen häufig drei wichtige Leitprinzipien für wirksame Drogendienste für Obdachlose. Diese sind: eine feste Unterkunft, die Bereitstellung von Angeboten zur Schadensminimierung und die Umsetzung integrierter Strategien.

Feste Unterkunft

Eine feste Unterkunft gilt als grundlegender Bestandteil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit. Risikoverhalten korreliert häufig mit instabilen Wohnverhältnissen, wobei das Risiko und die Schäden bei Personen, die auf der Straße oder in Notunterkünften übernachten, am höchsten sind. Die Entlassung von Menschen aus der Behandlung in ein Umfeld, in dem sie obdachlos sind, oder eine Behandlung ohne Unterkunft kann weitere Schäden verursachen. Daher wird Wohnraum häufig als erste Maßnahmen angesehen, kombiniert mit einem ganzheitlichen Unterstützungsangebot, um sicherzustellen, dass individuelle Bedürfnisse erfüllt werden und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert wird.

„Housing First“ ist ein Beispiel für einen Dienst, der Wohnraum als erste Maßnahme gegen Obdachlosigkeit in verschiedenen europäischen Ländern anbietet. Mit einem ganzheitlichen Unterstützungsangebot soll sichergestellt werden, dass den individuellen Bedürfnissen der Benutzer entsprochen wird und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert wird. Die Unterstützung erfolgt in Form eines Netzwerks miteinander verknüpfter Angebote. Art und Umfang der Unterstützung durch „Housing First“ orientieren sich an den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen der Benutzer und stützen sich auf die Grundsätze der Schadensminimierung.

„Housing First“ ist für Obdachlose mit erhöhten und komplexen Bedürfnissen konzipiert, einschließlich Personen mit hochriskantem Drogenkonsum, schweren psychischen Erkrankungen und psychiatrischen Störungen. Einige Dienste von „Housing First“ arbeiten nur mit Personen zusammen, bei denen eine psychiatrische Erkrankung diagnostiziert wurde. Innerhalb dieses Dienstes stellt der Substanzkonsum weder ein Hindernis für Wohnraum dar, noch ist Bedingung für das Wohnen, dass der Drogen- oder Alkoholkonsum eingestellt wird.

Zwei groß angelegte randomisierte Kontrollstudien in Frankreich und Kanada sowie Bewertungen einzelner Programme in ganz Europa haben vielversprechende Hinweise dafür gefunden, dass die Dienste von „Housing First“ wirksam gegen Obdachlosigkeit bei Menschen mit erhöhten und komplexen Bedürfnissen vorgehen können. Die Ergebnisse in Bezug auf die Verringerung des hochriskanten Drogenkonsums variieren stärker, auch wenn einige positive Ergebnisse gemeldet wurden.

Schadensminimierung

Die Schadensminimierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Bereitstellung von Diensten für Obdachlose. Die Schadensminimierung für diese Gruppen lässt sich am besten über niedrigschwellige Dienste erreichen, wenn der Zugang schnell und einfach und auf die Bedürfnisse der Benutzer abgestimmt ist. Zu den Diensten könnten Nadelaustauschprogramme, Drogenkonsumräume, mobile Kliniken und der Zugang zu pharmakologischen Behandlungen bei Störungen des Substanzkonsums, z. B. zur Behandlung mit Opioidagonisten, und die Bereitstellung von Naloxon zur Umkehrung der durch eine Opioidüberdosierung verursachten Atemdepression gehören.

Mitunter werden diese niedrigschwelligen Dienste, insbesondere Drogenkonsumräume und mobile Kliniken, bereits zu einem großen Teil von Obdachlosen genutzt. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Schadensminimierung die Gesundheit und das Wohlbefinden von Drogen konsumierenden Obdachlosen wirksam verbessern kann. Die Beteiligung von Betroffenen kann die Nutzung dieser Art des Unterstützungsangebots steigern.

Integrierte Dienste

Integrierte Strategien gehen über Einzelmodellmaßnahmen wie etwa Kliniken, die nur eine bestimmte Form der Behandlung anbieten, hinaus und bieten Hilfe in Form eines Netzwerks miteinander verknüpfter Angebote. Solche Netzwerke haben sich als vielversprechend erwiesen, wenn es darum geht, die Obdachlosigkeit selbst und die komplexen Bedürfnisse von Drogen konsumierenden Obdachlosen anzugehen. Von solchen integrierten Strategien umfasst sein können Schadensminimierung, Behandlung, Bildung, Beschäftigung und Unterstützungsdienste, Notunterkünfte und temporäre Unterkünfte oder geschlossene und dauerhafte Unterkünfte, die alle als integriertes Netzwerk funktionieren.

So erhalten die Benutzer, nachdem der Zugang zu Wohnraum gesichert ist, zusätzliche Unterstützung entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen, ohne selbst um Unterstützung der Dienstleister bitten zu müssen. Innerhalb dieser Netzwerke sind die Maßnahmen zur Bekämpfung von hochriskantem Drogenkonsum integriert und strategisch ausgerichtet. Mehrere EU-Mitgliedstaaten haben sich für diesen Ansatz ausgesprochen, und einige „Housing First“-Angebote bieten bereits integrierte Dienste an. Das Modell der wirksamen gemeindenahen Behandlung („assertive community treatment“) ist ein weiterer solcher Ansatz, auch wenn es in Europa selten angewendet wird und es keine Belege für seine Wirksamkeit gibt. Dieses Modell wurde ursprünglich für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen entwickelt. Es bietet personalisierte, hochintensive, ganzheitliche und integrierte multidisziplinäre gemeindenahe Betreuungsdienste.

Überblick über die Evidenzdaten zu Maßnahmen für Obdachlose

Erklärung Evidenz
Wirkung Qualität

Dauerhafte unterstützende Unterkünfte zugunsten einer stabilen Wohnsituation für Obdachlose

Nützlich

Mittelmäßig

Behandlung mit Opioidagonisten zur Senkung von Mortalität, Morbidität und Substanzkonsum bei Obdachlosen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen

Nützlich

Gering

Drogenkonsumräume zur Verringerung der Schädigungen und der Mortalität von Obdachlosen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen

Unklar

Sehr gering

Evidenzwirksamkeitsschlüssel:
Nützlich: Evidenz für einen Nutzen in die beabsichtigte Richtung. Unklar: Es ist nicht klar, ob die Maßnahme den beabsichtigten Nutzen bringt. Potenziell schädlich: Evidenz für potenziellen Schaden oder dafür, dass die Maßnahme das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung bewirkt (z. B. Anstieg des Drogenkonsums statt dessen Rückgang).

Evidenzqualitätsschlüssel:
Hoch: Wir können ein hohes Maß an Vertrauen in die verfügbaren Evidenzdaten haben. Mittelmäßig: Wir haben hinreichendes Vertrauen in die verfügbaren Evidenzdaten. Niedrig: Wir haben nur geringes Vertrauen in die verfügbaren Evidenzdaten. Sehr gering: Die derzeit verfügbaren Evidenzdaten sind unzureichend, und daher besteht erhebliche Unklarheit darüber, ob die Maßnahme zu dem beabsichtigten Ergebnis führen wird.

Die Situation in Europa: Verfügbarkeit von Maßnahmen für Obdachlose

Vor der COVID-19-Pandemie waren in Europa jeden Abend schätzungsweise mehr als 700 000 Menschen obdachlos. Darin enthalten sind Menschen, die auf der Straße oder in einer Not- oder temporären Unterkunft leben. Dies entspricht einem Anstieg um 70 % in den letzten zehn Jahren, der wahrscheinlich auf die steigenden Wohnkosten und die geringere Finanzierung von Sozialprogrammen und Sozialleistungen zurückzuführen ist. Nicht in diese Schätzung einbezogen sind Personen, die sogenannte „versteckte Obdachlosigkeit“ erleben, z. B. Menschen, die informelle Wohnvereinbarungen mit Freunden und Familienangehörigen haben oder außerhalb der formellen Gesellschaft in unregulierten Siedlungen leben (z. B. in heruntergekommenen Wohnhäusern, Wohnwagen oder Zelten).

Obdachlosigkeit ist in Europa ganz unterschiedlich ausgeprägt, da kulturelle Einstellungen, Stigmatisierung und Unterschiede im Hilfsangebot einen Einfluss darauf haben, wie Obdachlosigkeit erlebt wird und welche Leistungen in Anspruch genommen werden können. In einigen Ländern sind Obdachlose, einschließlich solcher mit komplexen Bedürfnissen, viel stärker auf Familie, Freunde und Bekannte angewiesen oder leben außerhalb der formellen Gesellschaft in unregulierten Siedlungen, da es dort weniger Dienstleistungen gibt. In einigen europäischen Städten bieten Obdachlosendienste nicht mehr als einfache Notunterkünfte mit Verpflegung und Schlafplätzen. Wenn Suchthilfeeinrichtungen für Obdachlose zur Verfügung stehen, handelt es sich in der Regel um Dienste, die der allgemeinen Bevölkerung zur Verfügung stehen und nicht speziell auf Obdachlose ausgerichtet sind. In anderen Ländern gibt es relativ umfangreiche Obdachlosendienste, z. B. feste Unterkünfte, die teilweise speziell auf Drogen konsumierende Obdachlose ausgerichtet sind.

Wo es Hilfsangebote für Obdachlose gibt, gibt es große Unterschiede im Sektor und bei den darin angebotenen Diensten. Diese Dienste sind in der Regel auf subnationaler Ebene organisiert und werden häufig von Organisationen der Zivilgesellschaft betrieben. Dies bedeutet, dass die Daten häufig nicht auf nationaler Ebene erhoben oder analysiert werden. Deshalb gibt es für die EU oder die einzelnen Mitgliedstaaten kein klares, umfassendes Bild von der Leistungserbringung für Obdachlose im Allgemeinen und für Drogen konsumierende Obdachlose im Besonderen. Selbst wenn der Konsum drogenbezogener Behandlungsdienste durch Personen mit instabiler Wohnsituation auf nationaler Ebene erfasst wird, lassen sich die erfassten Daten aufgrund definitorischer Unterschiede nur schwer vergleichen.

Politische Rahmenbedingungen

Auf EU-Ebene wurde im Juni 2021 die Erklärung von Lissabon über die Europäische Plattform zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit verabschiedet. Im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen wird in der Erklärung bekräftigt, dass die EU bestrebt ist, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu beseitigen. Die Erklärung sieht die Einrichtung einer europäischen Plattform zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit vor, die die Mitgliedstaaten und Diensteanbieter beim Austausch bewährter Verfahren und der Ermittlung wirksamer, innovativer Ansätze unterstützen soll, einschließlich der Förderung des Zugangs zu erschwinglichem Wohnraum für alle.

Auf Ebene der Mitgliedstaaten werden Obdachlosigkeit und Drogenkonsum in den nationalen drogenpolitischen Aktionsplänen mehrerer europäischer Länder erwähnt, in denen die betroffenen Personen häufig als besonders gefährdete Gruppe bezeichnet werden. Einige Länder sehen in ihren nationalen Rahmenplänen spezielle Dienste für Obdachlose vor, wie z. B. Wohnungs- und Schadensminimierungsdienste, entweder als eigenständige Maßnahmen oder als integrierte Programme. Andere reagieren auf die Bedürfnisse dieser Gruppe, indem sie die üblichen Sozial-, Gesundheits- und Suchthilfedienste nutzen.

Unterstützendes Wohnen

Im November 2020 forderte das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten auf, die Grundsätze von „Housing First“ anzunehmen, die auf dem Konzept der Wohnung als einem grundlegenden Menschenrecht beruhen. In einigen europäischen Ländern ist unterstützendes Wohnen Teil einer integrierten behördenübergreifenden Maßnahme zur Bekämpfung langfristiger und wiederholter Obdachlosigkeit, da die Betroffenen eine hohe Prävalenz für hochriskanten Drogenkonsum haben. In Finnland spiegelt die integrierte Strategie zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit einen breit definierten Ansatz des „Housing First“, bei dem eine Reihe von Diensten genutzt wird, deren Priorität auf der raschen Bereitstellung von Wohnraum nebst Unterstützung spezifischer Bedürfnisse liegt. Somit handelt es sich um eine Art integrierten Dienst. Dabei haben sich einige Erfolge bei der Bekämpfung unsicherer Wohnverhältnisse unter von langfristiger Obdachlosigkeit Betroffenen gezeigt.

In anderen europäischen Ländern wird unterstützendes Wohnen für Menschen bereitgestellt, die Drogen konsumieren und gerade ihre Behandlung beendet haben. Wohnraum wird zur Unterstützung der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und zur Vermeidung von Rückfällen und Obdachlosigkeit bereitgestellt. Ein Projekt in Kroatien umfasst Maßnahmen zur Einbeziehung von Drogenkonsumierenden in das Gemeinschaftsleben, wenn sie ihre Behandlung in einer Gesundheitseinrichtung oder Therapiegruppe abgeschlossen haben oder aus der Haft entlassen werden. Das Projekt bietet Hilfe bei der Wohnraumsuche oder dem organisierten Wohnen sowie bei psychosozialer Unterstützung, Umschulung und Beschäftigung. Ein weiteres Beispiel ist CRECER in Portugal, eine Organisation, die drei Sozialunternehmen als Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit von Obdachlosen eingerichtet hat. Sie hat drei Restaurants eröffnet, deren Mitarbeiter obdachlos sind und in verschiedenen Gastgewerbediensten ausgebildet werden.

Niedrigschwellige und gezielte Dienste

Obdachlose, die Drogen konsumieren, machen in Europa Europa häufig einen großen Teil der Benutzer von niedrigschwelligen Angeboten zur Drogenbehandlung und Schadensminimierung aus. Einige dieser Dienste sind explizit auf diese Gruppe ausgerichtet oder bieten spezifische Merkmale, die auf sie ausgerichtet sind (z. B. Duschen und Unterkünfte in Verbindung mit Drogenkonsumräumen), während andere breit angelegte Dienste für Drogenkonsumierende sind. So wurde beispielsweise aus Lüttich (Belgien) und Paris (Frankreich) berichtet, dass die meisten Benutzer von Drogenkonsumräumen obdachlos sind oder in minderwertigen Unterkünften oder ohne feste Anschrift leben.

Während das Hilfsangebot für bestimmte Untergruppen von Drogen konsumierenden Obdachlosen, darunter junge Menschen, Frauen und Migranten, offenbar nicht weit verbreitet ist, gibt es in einzelnen Ländern Ausnahmen. In Frankreich fördert das Programm Travail alternatif payé à la journée (TAPAJ) die soziale Inklusion von auf der Straße lebenden Jugendlichen, die Schwierigkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden, und von denen einige psychoaktive Substanzen konsumieren. Das Programm fördert die Kontinuität von Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Wohnen für schutzbedürftige junge Menschen, die in einer sehr instabilen Lebenssituation leben. Ein ähnliches Programm wurde 2019 in Irland unter der Bezeichnung „UBU Your Place Your Space“ gestartet. Dieses Programm richtet sich an 10- bis 21-Jährige in Gebieten, die durch hochriskanten Drogenkonsum, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit gekennzeichnet sind. Die Prävention und Reduzierung des Drogenkonsums sind ein besonderer Schwerpunkt des Programms.

In Katalonien (Spanien) wurden von Metzineres, einer gemeinnützigen Genossenschaft, die sich auf Schadensminimierung, Menschenrechte und Gender-Mainstreaming stützt, Dienste zur geschlechterbezogenen Schadensminimierung für Obdachlose eingerichtet. Metzineres bietet Frauen und nicht binären Personen, die Drogen konsumieren, sichere Unterkünfte und Maßnahmen zur Schadensminimierung.

COVID-19 und Obdachlosigkeit

COVID-19 hatte unverhältnismäßig große Auswirkungen für bereits gefährdete und marginalisierte Gruppen von Menschen, die Drogen konsumieren, einschließlich Obdachloser (siehe Spotlight on… Health and social responses to drug problems during the COVID-19 pandemic [Im Blickpunkt ... Gesundheitliche und soziale Maßnahmen zur Bekämpfung von Drogenproblemen während der COVID-19-Pandemie]). Aufgrund der sich überschneidenden Gesundheitsrisiken und des hohen Anteils an körperlichen und psychischen Erkrankungen bei Obdachlosen, insbesondere bei dauerhaft oder wiederholt Obdachlosen, sind sie einem höheren Risiko schwerwiegender nachteiliger Folgen des Virus ausgesetzt. Infolge der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Pandemieleitlinien und Lockdown-Maßnahmen mussten viele Obdachlosenprogramme ihre Dienstleistungen anpassen. Betroffen waren Dienstleistungen, bei denen Menschen zusammenkommen oder die gemeinschaftlich genutzt werden, z. B. Obdachlosenunterkünfte, in denen Menschen gemeinsam schlafen und leben.

COVID-19 hat wichtige Fragen darüber aufgeworfen, wie in Zukunft ortsfeste Dienstleistungen für Obdachlose angeboten werden können, und zwar sowohl im Hinblick auf die Bereitstellung von Not- und temporären Unterkünften als auch bezüglich des Zugangs zu Leistungen wie Drogenbehandlungen. Zwar hat COVID-19 viele Schwachstellen bei der Erbringung von Gesundheits- und Sozialdiensten aufzeigte, in einigen europäischen Ländern hat die Reaktion auf die Pandemie jedoch positive Entwicklungen hervorgebracht. In manchen Ländern hat sich der Zugang zu Wohnraum für Obdachlose verbessert, wurde der Zugang zu Maßnahmen zur Schadensminimierung erweitert und wurden einige Beschränkungen, z. B. in Bezug auf die Mitnahme von Opioidagonisten, gelockert.

In Irland hat sich ein Übergang von abstinenzbasierten Ansätzen zur Schadensminimierung innerhalb eines „Housing First“-Rahmens als vielversprechend erwiesen, wenn es darum geht, die COVID-19-Übertragung einzudämmen und die Mortalität durch das Virus bei Obdachlosen zu senken. Bei der Bereitstellung von Opioidagonisten wurden zwei wesentliche Änderungen vorgenommen. Erstens wurden nationale Notfallleitlinien herausgegeben, die reduzierte Wartezeiten und die Aufhebung der Obergrenzen für die Teilnahme an Programmen zur Behandlung mit Opioidagonisten in den beiden Kliniken, die Obdachlose behandeln, ermöglichten. Dies führte dazu, dass die Wartezeiten von einigen Monaten auf wenige Tage verkürzt wurden. Zweitens wurde der Zugang zur Behandlung mit Opioidagonisten verbessert, indem die Erbringung von Dienstleistungen auf andere Kliniken ausgeweitet und die Lieferung von Opioidagonisten an die Unterkünfte der Patienten ermöglicht wurde. Was die Unterbringung betrifft, so wurden Obdachlosen Unterkünfte zur Verfügung gestellt, die es ermöglichen, mutmaßliche und positive Fälle zu isolieren, einschließlich Personen, die aufgrund ihres Alters oder bestehender Vorerkrankungen als schutzbedürftig gelten.

Die Zahl der Unterkünfte für Obdachlose wurde auch in vielen anderen europäischen Ländern erhöht. In Griechenland wurden in Thessaloniki und Athen sogenannte „Pandemie-Jugendherbergen“ geschaffen. Während einige der während der COVID-19-Pandemie bereitgestellten Notunterkünfte vorübergehender Art waren, wurden mehrere Einrichtungen zugunsten der Bekämpfung der Obdachlosigkeit verstetigt.

Implikationen für Politik und Praxis

Grundlegendes

  • Hochriskanter Drogenkonsum bei Obdachlosen konzentriert sich vor allem auf Personen, die dauerhaft und wiederholt obdachlos sind. Schwere psychische Erkrankungen und psychiatrische Störungen sind in diesen Gruppen ebenfalls weit verbreitet.
  • Es sind gezielte Maßnahmen für Menschen erforderlich, die obdachlos sind und Drogen konsumieren und die oftmals mit erheblichen Hindernissen beim Zugang zu Gesundheitsversorgung, Schadensminimierung und Drogenbehandlung konfrontiert sind.
  • Im Allgemeinen nutzen sie Programme für andere Gruppen von Drogenkonsumierenden, insbesondere niedrigschwellige Dienste, bei denen diese Gruppe bisweilen einen großen Teil der Benutzer ausmacht.
  • Die Bereitstellung von festem Wohnraum, Schadensminimierung und integrierten Dienstleistungen ist zentrale Leitlinie für viele Organisationen, die mit Obdachlosen arbeiten.

Chancen

  • Unterstützendes Wohnen und Maßnahmen zur Schadensminimierung haben sich als vielversprechend erwiesen, wenn es darum geht, die Schäden bei Menschen zu verringern, die obdachlos sind und Drogen konsumieren.
  • Um den individuellen Bedürfnissen dieser Gruppe gerecht zu werden, ist eine Reihe flexibler, maßgeschneiderter, gemeinsam entwickelter Unterstützungsdienste im Rahmen integrierter Strategien zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit, Drogenkonsum sowie psychischen und physischen Gesundheitsproblemen erforderlich.
  • Krisenreaktionsteams können Obdachlose identifizieren und unterstützen, bevor sich ihre Situation weiter verschlechtert.
  • Drogenkonsumierenden, denen eine feste Unterkunft angeboten wird, profitieren wahrscheinlich von fortgesetzter Unterstützung und praktischer Hilfe bei ihren Problemen mit dem Substanzkonsum.
  • Mit verbesserten Lebensbedingungen, einer besseren Koordinierung der Versorgung und Kontinuität in der Versorgung können die Maßnahmen auf behandelbare Erkrankungen wie HIV- und Hepatitis-C-Virusinfektionen, Störungen beim Substanzkonsum, psychische Erkrankungen und Tuberkulose verlagert werden.

Lücken

  • Es liegen nur begrenzt Daten über Umfang und Art des Leistungsangebots für Personen vor, die obdachlos sind und Drogen konsumieren. Forschung und Überwachung in diesem Bereich müssen verbessert werden.
  • Es sind weitere Studien erforderlich, um die Hindernisse für den Zugang dieser gefährdeten Bevölkerungsgruppe zu Diensten (einschließlich Drogenbehandlungen und Wohnraum) zu verstehen.
  • Es mangelt an Verständnis für die Risikofaktoren, die mit wiederholter Obdachlosigkeit verbunden sind, und für die Maßnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen werden können.
  • Der Mangel an geschlechtsspezifischen Diensten muss angegangen werden, insbesondere in Bezug auf Maßnahmen für Frauen, die unter Obdachlosigkeit und geschlechtsbezogener Gewalt leiden.
  • Es ist weitere Forschungsarbeit zu jungen Menschen, Migranten und Flüchtlingen erforderlich, einschließlich zu den besonderen Herausforderungen, mit denen sie bei Obdachlosigkeit konfrontiert sein können, und zu den Diensten, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen.

Weitere Ressourcen

EMCDDA

Sonstige Quellen

Über diesen Leitfaden

Dieser Leitfaden bietet einen Überblick darüber, was bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen für Drogen konsumierende Obdachlose zu berücksichtigen ist, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet. Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind.

Empfohlene Zitierweise: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2022), Obdachlosigkeit und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen, https://www.emcdda.europa.eu/publications/mini-guides/homelessness-and-….

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