Freizeitsettings und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen

Einleitung

Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind. Er bietet einen Überblick darüber, was bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen zur Bewältigung drogenbedingter Probleme auf Festivals, im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings zu berücksichtigen ist, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet.

Zuletzt aktualisiert: März 2022.

Deckblatt Kurzleitfaden zum Thema Freizeitsettings und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen

Inhaltsverzeichnis:

Überblick

Kernpunkte

Bars, Nachtclubs und andere Freizeitsettings bieten jungen Menschen in Europa die Möglichkeit, unter Menschen zu sein und zu tanzen. In den Sommermonaten ziehen große Musikfestivals Tausende von Besuchenden an, unter denen der Konsum psychoaktiver Substanzen viel weiter verbreitet ist als in der Allgemeinbevölkerung. Der Konsum von Drogen und Alkohol in Nachtlebensettings kann mit einer Reihe von gesundheitlichen und sozialen Problemen in Verbindung gebracht werden, darunter akute Vergiftung, Bewusstlosigkeit und unbeabsichtigte Verletzungen, aggressives Verhalten und Gewalt, ungeschützter Geschlechtsverkehr und sexuelle Gewalt sowie Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen.

Da viele dieser schädlichen Wirkungen mit einem übermäßigen anlassbezogenen Konsum in Verbindung stehen, zielen viele Maßnahmen in Nachtlebensettings darauf ab, sicherere Konsummuster zu fördern und die Sicherheit von Menschen zu verbessern, die Substanzen in diesen Settings konsumieren.

Mögliche Maßnahmen

Die meisten Evidenzdaten über Maßnahmen in Freizeitsettings beziehen sich auf Alkohol. Nur wenige Maßnahmen zur Eindämmung des Drogenkonsums in Freizeitsettings wurden einer verlässlichen Evaluierung unterzogen.

  • Es wäre möglich, in Freizeitsettings Informationsmaterial zur Prävention und Schadensminimierung an junge Menschen zu verteilen. Peers werden bei der Verbreitung dieser Art von Informationen möglicherweise als glaubwürdiger angesehen. Diese Aktivitäten können durch Websites und Apps unterstützt werden, die ausführlichere Informationen über Drogen, Alkohol und damit verbundene Risiken sowie Tipps zur Vermeidung möglicher Schäden bieten. Es liegen jedoch nur wenige Belege dafür vor, dass diese Informationsmaßnahmen verhaltensändernd wirken.
  • Umfassender ist die Evidenz für milieubezogene Strategien. Hierzu zählen Maßnahmen zur Eindämmung von Faktoren, die einem exzessiven Konsum Vorschub leisten (z. B. verbilligte Getränke, laute Musik oder eine mangelhafte Ausschankpraxis), oder zur Verbesserung der Sicherheit in den Settings (z. B. durch die Vermeidung von Gedränge, die Bereitstellung von Ruheräumen und kostenlosem Wasser, das Angebot von Speisen und die Durchsetzung von Verhaltens- und Zutrittsregeln).
  • Bei Drogenprüfstellen können Menschen, bevor sie Drogen konsumieren, ihre Drogen chemisch analysieren lassen und Informationen über den Inhalt der Proben sowie Beratung und ggf. Unterstützung oder Zugang zu Kurzzeitmaßnahmen erhalten. Diese Dienste können auch wertvolle Möglichkeiten für die Einbeziehung von Drogenkonsumierenden und für die Unterstützung von Drogenüberwachungstätigkeiten bieten.

Die Situation in Europa

  • In ganz Europa werden verschiedene milieubezogene Konzepte, einschließlich regulatorischer Maßnahmen, eingesetzt, um substanzbedingte Probleme im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings zu bekämpfen. Dazu gehören Lizenzierungsstrategien, regulatorische Maßnahmen gegen Einrichtungen mit sichtbaren Problemen, die Schulung von Tür- und Sicherheitspersonal, Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen sowie Schulungen zur Erkennung von und zum Umgang mit drogen- und alkoholbedingten Notfällen. Mittlerweile werden in immer mehr Ländern strukturierte und evidenzbasierte milieubezogene Präventionskonzepte verfolgt. Gleiches gilt für die lokale Zusammenarbeit zwischen Polizei, Nachtlebenbranche und Hilfsdiensten zur Durchsetzung der geltenden Regelungen (Prävention und Schadensminimierung).
  • Standards für bewährte Verfahren in Bezug auf Labels und Chartas für ein sichereres Nachtleben, Drogenchecks und Aufklärung durch Peers werden vom NEW NET (Nightlife Empowerment & Well-being Network) gefördert. Das Projekt STAD in Europa zielt darauf ab, gegen Rauschtrinken vorzugehen, indem die Verfügbarkeit von Alkohol in dafür lizenzierten Räumlichkeiten in Nachtlokalen und auf Festivals sowie in anderen öffentlichen und privaten Settings eingeschränkt wird.
  • Drogenprüfstellen wurden in ganz Europa eingerichtet, sind jedoch nicht in allen Ländern tätig. Dabei kommen die unterschiedlichsten Modelle zum Einsatz, darunter sowohl gesonderte Prüfstellen als auch die Vor-Ort-Prüfung auf Festivals und in Nachtclubs.

Kernpunkte im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum bei Festivals, im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings

Bars, Nachtclubs und andere Freizeitsettings bieten jungen Menschen in Europa die Möglichkeit, unter Menschen zu sein und zu tanzen. In den Sommermonaten ziehen große Musikfestivals Tausende von Besuchenden an, unter denen der Konsum psychoaktiver Substanzen viel weiter verbreitet ist als in der Allgemeinbevölkerung.

Neben dem Konsum illegaler Drogen ist in diesen Freizeitsettings auch ein übermäßiger Alkoholkonsum weit verbreitet. Einer in neun europäischen Städten durchgeführten Studie zufolge waren in den letzten vier Wochen mehr als drei Viertel der Besuchenden von Nachtlokalen mindestens einmal betrunken. Nicht spezifisch auf das Nachtleben und Freizeitsettings bezogene Erhebungen in Schulen ergaben, dass die meisten 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schüler, die im Vormonat MDMA/Ecstasy konsumiert hatten, mindestens einmal fünf oder mehr alkoholische Getränke konsumiert hatten, wodurch der enge Zusammenhang zwischen Alkohol und einigen Formen des Drogenkonsums unter jungen Menschen unterstrichen wird.

Der Drogen- und Alkoholkonsum in Nachtlebensettings ist mit einer Reihe von gesundheitlichen und sozialen Problemen verbunden. Dazu gehören akute Gesundheitsrisiken und andere Probleme wie Vergiftungen, Bewusstlosigkeit und unbeabsichtigte Verletzungen, aggressives Verhalten und Gewalt, ungeschützter Geschlechtsverkehr und sexuelle Gewalt sowie Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.

Hinter den meisten dieser schädigenden Wirkungen steht ein Muster: der anlassbezogene exzessive Konsum von einer oder mehreren Substanz bzw. Substanzen. Daher zielen viele Maßnahmen darauf ab, sicherere Konsummuster zu fördern und die Sicherheit von Menschen zu erhöhen, die Substanzen in diesen Settings konsumieren. Darüber hinaus gibt es Bedenken, dass in vielen Ländern der Drogenkonsum in diesen Settings als normal angesehen wird, während die mit dem Drogenkonsum verbundenen Risiken unterschätzt werden. Ein weiterer Grund zur Besorgnis ist die zunehmende Verfügbarkeit einer großen Auswahl an Substanzen sowie die Tatsache, dass für viele dieser Substanzen nicht bekannt ist, was sie enthalten und welche psychoaktiven Wirkungen sie haben.

Evidenzdaten und Maßnahmen in Bezug auf drogenbedingte Probleme auf Festivals, im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings

Die meisten Evidenzdaten zu Maßnahmen in Freizeitsettings beziehen sich auf den Konsum von Alkohol und dessen schädliche Wirkung. Die Evidenzbasis für die Wirksamkeit von Maßnahmen, die auf die Bekämpfung des Drogenkonsums in diesen Einrichtungen abzielen, nimmt zu. Allerdings wurden bisher nur wenige Maßnahmen einer verlässlichen Evaluierung unterzogen.

Trotz dieser Einschränkungen dürften einige Erkenntnisse aus den Evidenzdaten über Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum und seinen schädigenden Wirkungen bei der Betrachtung drogenbedingter Probleme von Nutzen sein.

Die Healthy Nightlife Toolbox stellt drei Datenbanken zur Verfügung: evaluierte Maßnahmen, Literatur zu diesen Maßnahmen und andere Literatur zum Thema Prävention von Alkohol- und Drogenkonsum im Nachtleben. Im Folgenden werden die wichtigsten verfügbaren Maßnahmen kurz beschrieben.

Koordinierte mehrere Komponenten umfassende Maßnahmen

Mehrere Komponenten umfassende Ansätze umfassen eine Reihe paralleler Strategien wie die Mobilisierung der Gemeinschaft, die Schulung von Personal und die Strafverfolgung. Partnerschaften zwischen Interessengruppen können die Umsetzung wirksamer Maßnahmen im Nachtleben erleichtern. Solche Partnerschaften zwischen Kommunen, Inhabern oder Geschäftsführern von Lokalitäten, Polizei und Gesundheitsbehörden zielen darauf ab, die Gemeinschaft zu mobilisieren, indem sie das Bewusstsein für bestimmte schädigende Wirkungen schärfen und dafür sorgen, dass die Präventionsmaßnahmen von Interessengruppen und der Öffentlichkeit unterstützt werden. Die Zahl der evaluierten gemeinschaftlichen Maßnahmen nimmt langsam zu. Mehrere Komponenten umfassende Maßnahmen können mit Blick auf das Ausmaß von Gewalt, problematischen Alkoholkonsum und Verkehrsunfälle wirkungsvoll sein. Wo dies der Fall ist, werden eine wirksame Führung, Koproduktion, die Kontinuität der Maßnahmen und die Finanzierung als entscheidend für den Erfolg angesehen.

Rechtsetzungmaßnahmen

Probleme wie Alkoholkonsum von Minderjährigen, Gewalt innerhalb oder außerhalb von Lokalitäten des Nachtlebens sowie Trunkenheit am Steuer werden am besten durch mehrere Komponenten umfassende gemeinschaftliche Maßnahmen angegangen, etwa durch Präventionsdienste, Regulierungsbehörden, die Nachtlebenbranche sowie die Überwachung und Durchsetzung geeigneter regulatorischer Maßnahmen. Das können Besuche der Polizei in Lokalitäten mit hohem Risiko, Alterskontrollen beim Einlass und Sanktionen (z. B. der Einzug von Betriebsgenehmigungen) zur Durchsetzung der Lizenzierungsvorschriften gehören. Diese Maßnahmen haben sich bei der Verringerung alkoholbedingter Probleme als wirksam erwiesen, ihre positiven Auswirkungen nehmen jedoch rasch ab, wenn sie nicht regelmäßig durchgeführt werden und mit realen Abschreckungsmaßnahmen verknüpft sind, wie etwa dem Verlust von Betriebslizenzen, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden. Eine denkbare Konsequenz ist zudem, dass Aktivitäten in andere Lokalitäten oder Settings verlagert werden.

Milieubezogene Strategien

Alkohol- und drogenbedingte Probleme können auch durch das physische und soziale Umfeld der Veranstaltungsorte verschärft werden. Ein tolerantes Umfeld, das beispielsweise durch Toleranz gegenüber Trunkenheit, verbilligte Getränke, geringe Sauberkeit, Gedränge, laute Musik und eine mangelhafte Ausschankpraxis gekennzeichnet ist, kann Alkoholvergiftungen fördern; gleiches kann für den Drogenkonsum gelten. Zu den milieubezogenen Strategien, für die es Hinweise auf eine positive Wirkung gibt, gehören die Schaffung sichererer Räume und Lokalitäten durch durch die Vermeidung von Gedränge, die Bereitstellung von Ruheräumen, das Angebot von Speisen, Durchsetzung von Verhaltens- und Zutrittsregeln und ein Zugangsverbot für Minderjährige. Eine Möglichkeit, Dehydratation zu verhindern, besteht darin, sicherzustellen, dass an Orten, an denen Drogen wie MDMA/Ecstasy konsumiert werden können, kostenloses Trinkwasser zur Verfügung steht.

Schulung des Personals und Verfügbarkeit von Erste-Hilfe-Diensten

Geeignete Schulungen für Barpersonal, Türsteher und andere Mitarbeitende in Freizeitlokalitäten kombinieren Informationen mit Kompetenzaufbau. Sie behandeln u. a. die Alkoholgesetzgebung, die psychoaktiven Wirkungen von Alkohol und Drogen, die Zusammenhänge zwischen Alkohol und Gewalt, Erste Hilfe, verantwortungsvollen Getränkeausschank (z. B. Verweigerung des Ausschanks an Betrunkene), Konfliktmanagement und den Umgang mit Drogenhandel vor Ort. Es gibt keine eindeutigen Belege für die Wirksamkeit von Personalschulungen für die Prävention der schädigenden Wirkungen von Alkohol und Drogen, was zum Teil auf die hohe Personalfluktuation in diesen Lokalitäten zurückzuführen ist. Auch Maßnahmen, die auf die Sicherheit und Gesundheit des Personals in Nachtlebensettings oder auf Festivals ausgerichtet sind, sollten dringend in Erwägung gezogen werden.

Medizinische Erste-Hilfe-Dienste können zu einer schnelleren Erkennung von und Reaktion auf Drogennotfälle beitragen und dadurch Menschenleben retten und die Transferzeit an Notaufnahmen in Krankenhäusern verkürzen. Es gibt mehrere Leitlinien für die Reaktion auf akute Notfälle in Nachtlebensettings.

Drogenprüfung

In einer Reihe europäischer Länder ist die Drogenprüfung Bestandteil ihrer umfassenderen Strategien zur Schadensminimierung, doch ist sie nicht unumstritten (siehe Im Blickpunkt ... Drogenprüfung). Während die Überprüfung den Drogenkonsumierenden einige Informationen über die Substanzen liefert, die sie möglicherweise konsumieren, befürchten Kritiker, dass die Konsumenten sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegen können, weil sie annehmen, die geprüften Drogen seien sicher. Aussagen zu dieser Frage sind schwierig, weil es verschiedene analytischen Ansätze für die Prüfung gibt und weil es technisch schwierig ist, eine schnelle, genaue chemische Analyse der auf dem Markt für illegale Drogen verkauften Stoffe und Gemische zu liefern.

Dennoch bietet die Drogenprüfung eine Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die in der Regel keine Dienste in Anspruch nehmen oder ihren Drogenkonsum nicht als problematisch ansehen. Darüber hinaus liefert sie nützliche Informationen für die Drogenüberwachung. Gelegentlich werden Warnungen herausgegeben, beispielsweise, wenn eine MDMA-Pille mit sehr hohem Wirkstoffgehalt nachgewiesen wird, obwohl noch mehr zu tun ist, um die Wirkung dieses Ansatzes auf das Verhalten zu verstehen. Angesichts der Entwicklungen auf dem europäischen Drogenmarkt und des wachsenden Interesses an diesen Ansätzen sollte die Bewertung der Wirkung verschiedener Modelle der Drogenprüfung als Priorität betrachtet werden.

Aufklärung und Bereitstellung von Materialien zur Prävention und Schadensminimierung für Konsumierende in Nachtlebensettings

Jungen Menschen, die an Aktivitäten im Nachtleben beteiligt sind, kann Informationsmaterial zur Prävention oder Schadensminimierung bereitgestellt werden, z. B. Broschüren und Flyer über Rauschzustände und damit verbundene Schäden. Peers können bei der Verbreitung von Informationen über Schäden und die Schadensminimierung unter jungen Menschen in diesen Settings als glaubwürdiger angesehen werden. Diese Aktivitäten können durch Websites und Apps unterstützt werden, die ausführlichere Informationen über Drogen, Alkohol und damit verbundene Risiken sowie Tipps zur Vermeidung möglicher Schäden bieten. Auch Strategien zur Schadensminimierung, die sich mit einigen wesentlichen Schäden befassen, wie etwa dem Fahren unter Alkohol- und Drogeneinfluss (z. B. Programme zum Thema „Kein Alkohol am Steuer“), können gefördert werden. Evidenzdaten legen jedoch nahe, dass die bloße Bereitstellung von Informationen keine wirksame Möglichkeit zur Verringerung drogen- und alkoholbedingter Probleme darstellt und dass die Konzepte für die Risikokommunikation noch weiterer Erforschung und Entwicklung bedürfen.

Es besteht Einigkeit darüber, dass es wichtig ist, zuverlässige Informationen über verschiedene Substanzen, die damit verbundenen Risiken und die Möglichkeiten zur Minimierung der Schäden bereitzustellen. Strategien für die Risikokommunikation müssen jedoch sicherstellen, dass die bereitgestellten Informationen es den Menschen ermöglichen, Entscheidungen zu treffen, die negative Folgen minimieren, und gleichzeitig jegliche Terminologie vermeiden, die Drogen attraktiver erscheinen lassen könnte. Es besteht das Risiko, dass manche Menschen bewusst nach Substanzen suchen, die als hoch dosiert oder als hochpotent benannt werden. Das Verständnis, wie Risiken so kommuniziert werden, dass die gewünschte Wirkung auf das Verhalten erzielt und unbeabsichtigte negative Folgen vermieden werden, ist daher ein wichtiger Bereich für künftige Forschung.

Die Situation in Europa: Verfügbarkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung drogenbedingter Probleme auf Festivals, im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings

In ganz Europa werden verschiedene Konzepte eingesetzt, um substanzbedingte Probleme im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings zu bekämpfen. Im Rahmen einer Reihe europäischer Projekte wurden Leitlinien und Standards für Maßnahmen zur Prävention und Schadensminimierung in Nachtlebensettings entwickelt.

Das NEW NET (Nightlife Empowerment & Well-being Network) ist ein europäisches Netzwerk gemeinschaftlicher Nichtregierungsorganisationen und anderer Fachkräfte, die in den Bereichen Gesundheitsförderung und Nachtleben tätig sind. Es unterstützt die Umsetzung von Standards für bewährte Verfahren mit Schwerpunkt auf Labels und Chartas für ein sichereres Nachtleben, Drogenprüfungen und Aufklärung durch Peers. Dabei zeigt ein Label für ein sichereres Nachtleben an, ob Lokalitäten offiziellen Qualitätsstandards entsprechen, während eine Charta Leitlinien enthält, auf die sich die einschlägigen Interessengruppen geeinigt haben.

Das Projekt Club Health, an dem Partner aus mehreren EU-Mitgliedstaaten und Norwegen beteiligt waren, zielte darauf ab, Krankheiten (insbesondere Suchterkrankungen und sexuell übertragbare Infektionen), Unfälle, Verletzungen und Gewalt unter jungen Menschen in Nachtlebensettings zu verringern. Darüber hinaus veröffentlichte es eine Reihe von Standards zur Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit von Lokalitäten im Bereich Nachtleben.

In ganz Europa werden derzeit besser strukturierte evidenzbasierte Konzepte für die milieubezogene Prävention eingeführt, darunter auch das Projekt STAD in Europe (SiE). In den Niederlanden wurde festgestellt, dass die lokale Zusammenarbeit zwischen der Polizei, der Nachtbranche und einschlägigen Diensten (Prävention und Schadensminimierung) mit Blick auf Gewalt, sexuelle Übergriffe und Krankenhauseinweisungen wirkungsvoll ist.

Zwar unterstützen Evidenzdaten den Einsatz verschiedener regulatorischer Maßnahmen, doch scheinen sie weniger häufig eingesetzt zu werden. ZU diesen Maßnahmen zählen der Verzicht auf „Pauschalpreise“ oder Happy Hours, Mindestpreise für Getränke, die Verweigerung des Ausschanks an Betrunkene, obligatorische Personalschulungen, Zugangssperren für Minderjährige, die Begrenzung der Dichte von Nachtlokalitäten und Beschränkungen ihrer Öffnungszeiten sowie „Apfelsaftgesetze“, wonach in allen Einrichtungen, in denen Alkohol getrunken wird, das preisgünstigste Getränk alkoholfrei sein muss.

Die vom Netzwerk Euro-DEN in Zusammenarbeit mit der EMCDDA erarbeiteten Leitlinien für die Reaktion auf schädigende Wirkungen in Nachtlebensettings geben Informationen dazu, wie erkannt werden kann, ob bei akuten Drogenvergiftungen eine Untersuchung in der Notaufnahme erforderlich ist und für wen ein Rettungsdienst gerufen werden sollte. Dies ermöglicht eine frühzeitige Bewertung und Steuerung durch die Rettungsdienste und gegebenenfalls die Notaufnahmen bei Personen mit sehr hohem Sterblichkeitsrisiko durch akute Drogenvergiftung.

Wie bereits erwähnt, gibt es in Europa eine Vielzahl von standortunabhängigen und Vor-Ort-Drogenprüfprogrammen; eines der am längsten bestehenden ist das das Drogeninformations- und Überwachungssystem (DIMS) in den Niederlanden. Dieser Dienst informiert Drogenkonsumierende über den Inhalt der Droge und bietet Informationen zur Schadensminimierung auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten über die chemische Zusammensetzung der Drogenprobe. Das DIMS veröffentlicht auch qualitative Informationen über Veränderungen des Inhalts von Drogenproben in den Niederlanden.

In einer Reihe von EU-Ländern wurden Vor-Ort-Drogenprüfstellen eingerichtet, die unter Umständen auch Kurzzeitmaßnahmen für Personen bieten, die in der Regel keine Dienste in Anspruch nehmen oder ihren Drogenkonsum nicht als problematisch ansehen. Das 2011 ins Leben gerufene Projekt TEDI (Trans European Drug Information – Transeuropäisches Drogeninformation) ist ein Netzwerk europäischer Drogenprüfstellen, die ihr Fachwissen und ihre Daten im Rahmen eines europäischen Überwachungs- und Informationssystems austauschen. Das Hauptziel von TEDI besteht darin, die öffentliche Gesundheit und damit verbundene Programme durch die Bereitstellung relevanter Analysedaten zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat TEDI in Zusammenarbeit mit der EMCDDA ein Datenerfassungssystem entwickelt, das dazu beitragen soll, Drogentrends in Europa unter Nutzenden von Drogenprüfstellen zu verfolgen.

Implikationen für Politik und Praxis

Grundlegendes

  • Die Bereitstellung von milieubezogenen Maßnahmen zur Verringerung substanzbedingter schädigender Wirkungen und von Maßnahmen zur Schadensminimierung, die durch Leitlinien und Standards gestützt werden, ist wichtig.
  • Die Notfallversorgung in Anbindung an die Notaufnahmen ist für den Umgang mit unerwünschten Ereignissen in Freizeitsettings erforderlich. Die europäischen Leitlinien können in diesem Zusammenhang eine nützliche Ressource darstellen, auch wenn die Festlegung nationaler politischer Maßnahmen, die durch Leitlinien und Sensibilisierungsmaßnahmen unterstützt werden, ebenfalls erforderlich ist.
  • Gemeinschaftliche Initiativen, die im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stellen koordinierte Maßnahmen umsetzen, sind wahrscheinlich wirkungsvoller als Einzelmaßnahmen. Solche Programme kombinieren häufig die Mobilisierung der Gemeinschaft, die Schulung von Personal und die Durchsetzung und scheinen mit Blick auf die Verringerung von Gewalt, problematischem Alkoholkonsum und Verkehrsunfällen wirkungsvoll zu sein.

Chancen

  • Verstärkter Austausch bewährter Verfahren und Leitlinien für die Prävention zur Reduzierung substanzbedingter schädigender Wirkungen in Freizeitsettings und Förderung der Bewertung von deren Wirksamkeit.

Defizite

  • Die Evidenzdatenlage zum Nutzen der Bereitstellung von Informationen für Nachtlebenteilnehmende oder zur Wirksamkeit der Aufklärung durch Peers (häufig zur Schadensminimierung) ist begrenzt. Diese Maßnahmen können kontraproduktiv erwirken. Daher bedarf es weiterer Forschung u. a. darüber, wie Informationen über Risiken am wirksamsten verbreitet werden können und wie Strategien für einen sichereren Konsum gefördert werden können.
  • Drogenprüfstellen können die schädigenden Wirkungen minimieren und können eine Möglichkeit bieten, zu überwachen, welche Drogen in einem bestimmten Setting konsumiert werden. Es bedarf jedoch der Forschung zur Wirksamkeit verschiedener Angebotsmodelle und ihrer Eignung für unterschiedliche Settings.

Weitere Ressourcen

EMCDDA

Sonstige Quellen

Über diesen Leitfaden

Dieser Leitfaden bietet einen Überblick darüber, was bei der Planung oder Durchführung gesundheitlicher und sozialer Maßnahmen zur Bewältigung drogenbedingter Probleme auf Festivals, im Nachtleben und in anderen Freizeitsettings zu berücksichtigen ist, und gibt einen Überblick über die verfügbaren Maßnahmen und ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus werden die Auswirkungen auf Politik und Praxis beleuchtet. Dieser Leitfaden ist einer von mehreren Publikationen, die unter dem Titel Gesundheitliche und soziale Maßnahmen im Umgang mit Drogenproblemen: ein europäischer Leitfaden zusammengefasst sind.

Empfohlene Zitierweise: Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (2022), Freizeitsettings und Drogen: gesundheitliche und soziale Maßnahmen, https://www.emcdda.europa.eu/publications/mini-guides/recreational-sett….

Identifikatoren

HTML: TD-08-22-028-EN-Q
ISBN: 978-92-9497-700-7
DOI-Nummer: 10.2810/667578

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