Drogenkonsumräume: Überblick über das Angebot und Evidenzdaten

Introduction

Diese interaktiven, weboptimierten Analysen im Rahmen der Reihe Drogen im Blickpunkt verstehen sich als Ergänzung zum Europäischen Drogenbericht und sollen genauere Einblicke in eine Reihe wichtiger Themen bieten.
Update date: 07.06.2018

Analyse: Drogenkonsumräume: Überblick über das Angebot und Evidenzdaten

Überwachte Drogenkonsumräume, in denen illegale Drogen unter Aufsicht von geschultem Personal konsumiert werden können, gibt es in Europa seit drei Jahrzehnten. Diese Einrichtungen dienen in erster Linie dem Ziel, die akuten Risiken im Zusammenhang mit der Übertragung von Krankheiten durch unhygienischen injizierenden Konsum einzudämmen, Todesfällen durch Überdosierung vorzubeugen und besonders gefährdete Drogenkonsumenten mit Einrichtungen der Suchtbehandlung und anderen Gesundheits- und Sozialdiensten in Kontakt zu bringen. Zudem sollen sie dazu beitragen, dem Drogenkonsum in der Öffentlichkeit und den mit offenen Drogenszenen verbundenen Gefahren für die öffentliche Ordnung, wie sie beispielsweise durch weggeworfene Nadeln entstehen, entgegenzuwirken. In der Regel erhalten Drogenkonsumenten in Drogenkonsumräumen sterile Spritzbestecke, Beratungsleistungen vor, während und nach dem Drogenkonsum, Notfallhilfe bei Überdosierungen und eine medizinische Grundversorgung. Zudem dienen die Drogenkonsumräume zumeist als Anlaufstelle für die Vermittlung an geeignete Sozial-, Gesundheits- und Suchtbehandlungsdienste.

Angesichts des Auftretens und der raschen Ausbreitung des Human-Immunschwäche-Virus/erworbenen Immundefizienz-Syndroms (HIV/AIDS) im Zusammenhang mit der epidemieartigen Verbreitung des Heroinkonsums und des injizierenden Drogenkonsums in den 1980er Jahren entwickelte man in Europa eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der durch den injizierenden Drogenkonsum und andere Formen des Hochrisikokonsums verursachten Schäden. Hierzu zählten unter anderem Leistungen wie aufsuchende Dienste, Peer-Education-Maßnahmen, gesundheitliche Aufklärung, die Ausgabe sauberer Spritzbestecke und das Angebot opioidgestützter Substitutionsbehandlungen. Während die Strategie der Schadensminimierung im Laufe der 1990er Jahre in Europa immer weitere Akzeptanz und Ausbreitung fand, war die Bereitstellung von Räumlichkeiten für den überwachten Drogenkonsum in lokalen Drogeneinrichtungen nicht unumstritten. Mitunter wurden Bedenken laut, diese Konsumräume könnten den Drogenkonsum fördern, die Behandlungsaufnahme verzögern oder die mit den örtlichen Drogenmärkten verbundenen Probleme verstärken. Bisweilen wurde die Einrichtung von Drogenkonsumräumen durch politische Interventionen verhindert (Jauffret-Roustide et al., 2013). Ungeachtet dessen steht die Diskussion über die Eröffnung neuer Drogenkonsumräume in mehreren europäischen Ländern nach wie vor ganz oben auf der politischen Agenda. Daher soll diese Analyse einen objektiven Überblick über die Merkmale, die derzeit angebotenen Leistungen und die Wirksamkeit dieser Maßnahme bieten.

Drogenkonsumräume sind Gesundheitseinrichtungen, in denen Drogenkonsumenten unter der Aufsicht von Fachpersonal und unter sicheren Bedingungen Drogen konsumieren können. Sie sollen eine Anlaufstelle für schwer zu erreichende Gruppen von Konsumenten darstellen, insbesondere für marginalisierte Gruppen und jene, die Drogen auf der Straße und unter sonstigen risikobehafteten und unhygienischen Bedingungen konsumieren. Eine ihrer vorrangigen Zielsetzungen ist die Eindämmung der Morbidität und Mortalität durch die Bereitstellung einer sicheren Umgebung für einen hygienischeren Konsum und die Aufklärung der Besucher über sichereren Konsum. Zugleich soll der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit verringert und der öffentliche Raum in der Umgebung der städtischen Drogenmärkte aufgewertet werden. Ein weiteres Ziel ist die Förderung des Zugangs zu Sozial-, Gesundheits- und Drogenbehandlungseinrichtungen (siehe „Leistungsmodell“).

Ursprünglich entwickelten sich die Drogenkonsumräume als Maßnahme zur Eindämmung der mit offenen Drogenszenen und Drogenmärkten verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Ordnung in Städten, in denen es bereits ein Netz von Drogendiensten gab, man jedoch Schwierigkeiten damit hatte, diesen Problemen zu begegnen. Als solche stellten sie eine „lokale“ Maßnahme dar, über welche die örtlichen Interessenträger auf der Grundlage einer Bewertung der lokalen Erfordernisse und nach Maßgabe der kommunalen oder regionalen Vorgehensweisen entschieden. Einrichtungen für den überwachten Drogenkonsum befinden sich bevorzugt an Orten, an denen es Probleme mit dem öffentlichen Drogenkonsum gibt, und zielen auf jene Teilpopulationen der Konsumenten ab, die kaum Möglichkeiten für einen hygienischen injizierenden Drogenkonsum haben (wie beispielsweise Obdachlose oder Menschen, die in unsicheren Wohnverhältnissen oder Heimen leben). Zuweilen werden Drogenkonsumräume aus den unterschiedlichsten Gründen auch von in stabileren sozialen Verhältnissen lebenden Besuchern genutzt, beispielsweise weil diese mit Partnern oder Familienangehörigen zusammenleben, die keine Drogen konsumieren (Hedrich und Hartnoll, 2015).

Was die historische Entwicklung dieser Intervention betrifft, so wurde im Juni 1986 in Bern in der Schweiz der erste überwachte Drogenkonsumraum eröffnet. Weitere Einrichtungen dieser Art wurden in den Folgejahren in Deutschland, den Niederlanden, Spanien, Norwegen, Luxemburg, Dänemark, Griechenland und Frankreich eingerichtet. Gegenwärtig gibt es insgesamt 78 offizielle Drogenkonsumräume in sieben Berichtsländern der EMCDDA, nachdem im Jahr 2016 im Rahmen einer 6-jährigen Probezeit in Frankreich die ersten zwei Drogenkonsumräume eröffnet wurden. Außerdem gibt es in der Schweiz 12 Einrichtungen (siehe „Fakten und Zahlen“).

Weiter aufgeschlüsselt gibt es nun, mit Stand April 2018: 31 Einrichtungen in 25 Städten in den Niederlanden; 24 Einrichtungen in 15 Städten in Deutschland; fünf Einrichtungen in vier Städten in Dänemark; 13 Einrichtungen in sieben Städten in Spanien; zwei Einrichtungen in zwei Städten in Norwegen; zwei Einrichtungen in zwei Städten in Frankreich; eine Einrichtung in Luxemburg; außerdem zwölf Einrichtungen in acht Städten in der Schweiz.

In Irland wurde ein Gesetz (Misuse of Drugs Act Supervised Injection Facilities 2017) verabschiedet, das die Genehmigung und Regulierung solcher Einrichtungen ermöglicht. Im selben Monat wurden in Lissabon, Portugal, die Standorte und das Einsatzgebiet von einem mobilen und zwei festen überwachten Drogenkonsumräumen angekündigt. Die Dienste werden voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2018 und Anfang 2019 in Betrieb genommen. Auf der Grundlage einer Durchführbarkeitsstudie zu Drogenkonsumräumen in fünf großen Städten Belgiens (Gent, Antwerpen, Brüssel, Lüttich und Charleroi) wurden den politischen Entscheidungsträgern in Belgien im Februar 2018 Empfehlungen vorgelegt (Vander Laenen et al., 2018).

Die zunehmenden Todesfälle durch Opioid-Überdosierungen und die Forschung an zwei bestehenden überwachten Injektionseinrichtungen in Vancouver zählen zu den Faktoren, die dazu beitragen, dass verschiedene Kommunen derzeit solche Konsumräume in ganz Kanada eröffnen (Kerr et al., 2017; www.sallesdeconsommation.com). In Australien laufen derzeit in Melbourne Vorbereitungen für ein medizinisch überwachtes Zentrum für injizierenden Drogenkonsum, das sich nach dem Modell der bestehenden Einrichtung in Sydney richtet.

Merkmale

Die meisten Drogenkonsumräume haben unabhängig von ihrem Standort eine Reihe von Merkmalen gemeinsam. Beispielsweise ist der Zugang in der Regel auf registrierte Nutzer beschränkt, und an bestimmte Voraussetzungen, z. B. Mindestalter und Ortsansässigkeit, gebunden. Gemeinhin handelt es sich um separate Bereiche, die an bereits bestehende Einrichtungen für Drogenkonsumenten oder Obdachlose angeschlossen sind. Zuweilen werden sie jedoch auch vollkommen unabhängig von anderen Einrichtungen betrieben. Die Zielgruppe sind zumeist injizierende Drogenkonsumenten, allerdings stehen Drogenkonsumräume mittlerweile zunehmend auch Konsumenten offen, die Drogen rauchen oder inhalieren.

Insgesamt werden in Europa drei Modelle von Drogenkonsumräumen betrieben. Dabei handelt es sich um integrierte, spezialisierte und mobile Einrichtungen. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Drogenkonsumräume ist in niedrigschwellige Einrichtungen integriert. Die Überwachung des Drogenkonsums ist dabei eine von mehreren überlebenswichtigen Leistungen, die in denselben Räumlichkeiten angeboten werden, wie die Bereitstellung von Lebensmitteln, Duschen und Kleidung für Obdachlose, die Ausgabe von Präventionsmaterial wie Kondomen und Abfallbehältern für scharfe/spitze Instrumente sowie das Angebot von Beratungsleistungen und Drogenbehandlungsdiensten. Spezialisierte Drogenkonsumräume bieten häufig ein engeres Leistungsspektrum, das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem überwachten Konsum steht und die Ausgabe hygienischer Spritzbestecke, Gesundheitsberatung und Aufklärung über sicheren Drogenkonsum, Notfallmaßnahmen und die Bereitstellung von Räumlichkeiten umfasst, in denen Drogenkonsumenten nach dem Konsum überwacht werden können. Mobile Einrichtungen gibt es gegenwärtig in Barcelona und Berlin. Sie ermöglichen ein geografisch flexibles Angebot der Leistungen, betreuen jedoch in der Regel weniger Besucher als Einrichtungen mit einem festen Standort (Schäffer et al., 2014).

Ein organisatorischer Überblick über 62 Drogenkonsumräume in sieben europäischen Ländern (Woods, 2014) zeigt, dass sie eine breite Palette von Hilfsdiensten anbieten. Neben sauberen Spritzbestecken, gesundheitlicher Aufklärung und der Vermittlung von Behandlungs- und anderen Betreuungsdiensten bieten 60 % bis 70 % der Einrichtungen auch eine medizinische Grundversorgung durch Krankenpfleger oder Ärzte. Häufig angebotene Leistungen waren unter anderem: Kaffee/Tee, Benutzung eines Telefons und die Möglichkeit, Dusche und Waschwasser zu verwenden.

Dieselbe Erhebung (1) (Woods, 2014) ergab, dass diese Einrichtungen durchschnittlich sieben Plätze für einen überwachten injizierenden Drogenkonsum (das Spektrum reicht hier von einem bis hin zu 13 Plätzen) und vier Plätze für Konsumenten anbieten, die Drogen rauchen/inhalieren. Über die Hälfte der Einrichtungen erbringt die Dienstleistung täglich, sodass sie durchschnittlich acht Stunden täglich geöffnet sind. Hinsichtlich der täglichen Besucherzahlen war eine große Bandbreite festzustellen – zwischen 20 und 400 –, wobei sechs der 33 Einrichtungen mehr als 200 Drogenkonsumenten pro Tag betreuen. In den meisten Fällen wurden die Besucher von Suchtbehandlungseinrichtungen oder der Polizei auf die Drogenkonsumräume aufmerksam gemacht.

Abbildung 1: Berufsgruppen, die in den Teams der DCR vertreten sind,

Quelle: Basierend auf Abbildung 7 in Belackova et al., 2017.

Eine kürzlich durchgeführte Online-Erhebung des International Network of Drug Consumption Rooms (INDCR) befasste sich unter anderem mit den in den Konsumräumen vertretenen Berufen. Zwar handelte es sich bei den meisten Teams um Krankenpfleger und Sozialarbeiter, jedoch waren Ärzte in fast jedem zweiten Team vertreten, und Sicherheitspersonal war Teil von einem Drittel der für Drogenkonsumräume verantwortlichen Teams (Belackova et al., 2017).

Evidenzdaten über die Wirksamkeit

Die ersten Drogenkonsumräume wurden in Städten in der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden als Reaktion auf die von offenen Drogenszenen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Ordnung eröffnet. Zwar wurden sie von mehreren lokalen Interessenträgern eingerichtet und unterstützt, jedoch stellten sie zu Beginn ein Experiment dar und wurden zuweilen kontrovers diskutiert. Anschließend haben die örtlichen Dienstleister, die Gesundheitsbehörden und die Polizei die Situation vor und nach der Eröffnung der Einrichtungen sorgfältig überwacht und dokumentierten, ob die beabsichtigten Änderungen erreicht wurden. Die Ergebnisse wurden direkt den lokalen und manchmal nationalen politischen Entscheidungsträgern gemeldet, aber die Daten wurden selten in der internationalen Fachliteratur veröffentlicht. Die Ergebnisse waren für die internationale Forschungsgemeinde relativ schlecht zugänglich, bis Auswertungen in englischer Sprache publiziert wurden (Kimber et al., 2003, EMCDDA, 2004). Allerdings wurden zu den in Sydney und Vancouver als Pilotprojekte geschaffenen Einrichtungen für überwachten injizierenden Drogenkonsum finanziell gut ausgestattete und von Hochschulen unterstützte Evaluationsstudien durchgeführt, für die aufwendige Modelle (einschließlich einer Kohortenstudie) herangezogen wurden und die einen beträchtlichen Fundus von Evidenzdaten bereitstellten (ein Überblick ist www.sydneymsic.com und supervisedinjection.vch.cazu entnehmen).

Die Wirksamkeit der Drogenkonsumeinrichtungen im Hinblick auf ihre Eignung, stark marginalisierte Zielpopulationen zu erreichen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben, wurde umfassend dokumentiert (Hedrich et al., 2010; Potier et al., 2014). Diese Kontaktaufnahme hatte für die Besucher der Einrichtungen unmittelbare Verbesserungen im Hinblick auf einen hygienischen und sicheren Drogenkonsum zur Folge (vgl. beispielsweise Small et al., 2008, 2009; Lloyd-Smith et al., 2009) und wirkte sich positiv auf die öffentliche Gesundheit und Ordnung aus.

Zudem zeigen Forschungsergebnisse, dass die Nutzung überwachter Drogenkonsumräume den Angaben der Besucher zufolge zu einer Eindämmung ihres Risikoverhaltens im Zusammenhang mit dem injizierenden Drogenkonsum, wie beispielsweise der gemeinsamen Nutzung von Spritzbestecken, führt. Das bedeutet, dass Verhaltensweisen, die das Risiko von HIV-Übertragungen und Todesfällen durch Überdosierungen erhöhen, reduziert werden (vgl. beispielsweise Stoltz et al., 2007; Milloy und Wood, 2009). Der Einfluss von Drogenkonsumräumen auf die Senkung der Inzidenz von HIV- oder Hepatitis-C-Infektionen unter den injizierenden Drogenkonsumenten insgesamt ist jedoch nach wie vor unklar und nur schwer abzuschätzen (Hedrich et al., 2010, Kimber et al., 2010). Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Einrichtungen nur einen begrenzten Teil der Zielpopulation erreichen und die Abgrenzung ihrer Auswirkungen von denen anderer Maßnahmen mit methodischen Problemen verbunden ist.

Ökologische Studien ergaben Hinweise darauf, dass Drogenkonsumräume bei einer angemessenen Abdeckung geeignet sind, auf städtischer Ebene zu einer Verringerung der drogenbedingten Todesfälle beizutragen (Poschadel et al., 2003; Marshall et al., 2011). Eine in Sydney durchgeführte Studie zeigte, dass während der Öffnungszeiten der Einrichtung für sicheren injizierenden Drogenkonsum weniger Notrufe wegen Überdosierungen eingingen (Salmon et al., 2010).

Darüber hinaus geht die Nutzung von Drogenkonsumräumen mit einer verstärkten Inanspruchnahme sowohl von Entgiftungs- als auch von Suchtbehandlungen, einschließlich opioidgestützter Substitutionstherapien, einher. So wurde beispielsweise im Rahmen der kanadischen Kohortenstudie dokumentiert, dass die Besucher der Einrichtung in Vancouver vermehrt erfolgreich an Suchtbehandlungsdienste überwiesen werden konnten und häufiger Entgiftungsbehandlungen und methadongestützte Erhaltungstherapien in Anspruch nahmen (Wood et al., 2007; DeBeck et al., 2011).

In Evaluationsstudien wurde insgesamt ein positiver Einfluss auf die Gemeinden festgestellt, in denen diese Einrichtungen ihren Standort haben. Ebenso wie im Falle von Nadel- und Spritzenaustauschprogrammen ist jedoch auch diesbezüglich eine Konsultation der zentralen örtlichen Akteure erforderlich, um öffentliche Widerstände abzubauen und kontraproduktive polizeiliche Maßnahmen zu verhindern. In aller Regel werden Drogenbehandlungseinrichtungen mit integrierten überwachten Drogenkonsumräumen von den lokalen Gemeinschaften und Unternehmen akzeptiert (Thein et al., 2005). Ihre Eröffnung ging mit einem Rückgang des injizierenden Drogenkonsums in der Öffentlichkeit (vgl. beispielsweise Salmon et al., 2007) und der Zahl der in der Umgebung weggeworfenen Spritzen (Wood et al., 2004) einher. So sank beispielsweise in Barcelona die durchschnittliche Zahl der ungesichert weggeworfen Spritzen, die monatlich in der Umgebung eingesammelt wurden, zwischen 2004 und 2012 auf ein Viertel und ging von über 13 000 auf etwa 3000 zurück (Vecino et al., 2013).

Die Auswirkungen der Einrichtung für überwachten injizierenden Drogenkonsum in Sydney auf die Zahl der mit dem Drogenkonsum in Zusammenhang stehenden Eigentums- und Gewaltdelikte in der betreffenden Gegend wurden anhand einer Zeitreihenanalyse der polizeilich erfassten Diebstähle und Raubüberfälle untersucht (Freeman et al., 2005). Es wurden keine Belege dafür gefunden, dass der Betrieb der Einrichtung einen Anstieg oder Rückgang der Diebstähle oder Raubüberfälle in ihrer Umgebung bewirkt hat. Auch in einer von Wood et al. im Viertel Downtown Eastside in Vancouver durchgeführten Studie, in der die Zahlen der jeweils im Jahr vor und nach der Einrichtung des örtlichen Drogenkonsumraums monatlich erfassten Fälle von Drogenhandel, körperlichen Angriffen und Raub – Straftaten, die gemeinhin mit dem Drogenkonsum in Zusammenhang stehen – verglichen wurden, stellte man fest, dass die Eröffnung des Konsumraums nicht mit einer spürbaren Zunahme dieser Straftaten einherging (Wood et al., 2006).

In Gebieten, die eine Zunahme des Konsums von Drogen zu verzeichnen hatten, die geraucht/inhaliert werden, wie beispielsweise Crack, haben die ursprünglich nur für injizierende Drogenkonsumenten bestimmten Drogenkonsumeinrichtungen begonnen, ihre Leistungen auf den inhalierenden Konsum auszuweiten. Die diesbezüglich gewonnenen Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass Einrichtungen, in denen Drogen unter Aufsicht inhaliert werden können, geeignet sind, die Straßenkriminalität und Probleme mit der Polizei zu verringern (DeBeck et al., 2011). Diese Änderung des Leistungsangebots erfolgt vor dem Hintergrund einer sinkenden Prävalenz des injizierenden Heroinkonsums und einer vermehrten Inanspruchnahme opioidgestützter Substitutionstherapien. In diesem Zusammenhang haben einige Einrichtungen ihr Leistungsspektrum den Bedürfnissen der Crack-Konsumenten in den Innenstädten angepasst.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bereitstellung überwachter Drogenkonsumräume die folgenden Vorteile mit sich bringen kann: Verbesserungen im Hinblick auf einen sicheren, hygienischen Drogenkonsum – insbesondere für Konsumenten, die solche Einrichtungen regelmäßig aufsuchen –, verstärkte Inanspruchnahme von Gesundheits- und Sozialdiensten sowie Eindämmung des Drogenkonsums in der Öffentlichkeit und der damit verbundenen Störungen der öffentlichen Ordnung. Es gibt keine Belege dafür, dass die Verfügbarkeit von Einrichtungen, die einen sicheren injizierenden Drogenkonsum ermöglichen, zu einem Anstieg des Drogenkonsums oder einer Erhöhung der Häufigkeit des injizierenden Konsums führt. Die Behandlungsaufnahme wird durch derartige Dienste nicht verzögert, sondern eher beschleunigt. Zudem hat die Einrichtung von Drogenkonsumräumen keine Zunahme der örtlichen Drogenkriminalität zur Folge.

Ein Überblick über die von Fachkollegen geprüfte Literatur ist Belackova und Salmon, 2017 zu entnehmen.

Fazit

Drogenkonsumräume sind geeignet, besonders gefährdete Drogenkonsumenten, die nicht bereit oder willens sind, den Drogenkonsum aufzugeben, zu erreichen und mit ihnen in Kontakt zu bleiben. In einer Reihe europäischer Städte ist der überwachte Drogenkonsum mittlerweile integraler Bestandteil der im Rahmen der Drogenbehandlungssysteme angebotenen niedrigschwelligen Dienste. In der Schweiz und in Spanien wurden einige Drogenkonsumräume geschlossen, was in erster Linie darauf zurückzuführen war, dass der injizierende Drogenkonsum und damit der Bedarf an solchen Diensten zurückging. Zuweilen spielten dabei aber auch Kostenüberlegungen eine Rolle. In Griechenland wurde der Betrieb der Einrichtung aufgrund von Verzögerungen bei der Verabschiedung einer entsprechenden Rechtsgrundlage nach neun Monaten ausgesetzt, und der Anbieter arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium daran, die Voraussetzungen für die Wiedereröffnung des Drogenkonsumraums zu schaffen. In den Niederlanden wurden Kürzungen vorgenommen, da die Besucherzahlen aufgrund der erfolgreichen Einführung eines anderen Programms zurückgingen. Dieses neue Programm (Plan van Aanpak Maatschappelijke Opvang) zielt darauf ab, Obdachlose in (betreuten) Unterkünften unterzubringen, in denen häufig auch Drogenkonsum gestattet ist. Die Alkoholkonsumräume, die sich häufig in demselben Gebäude, aber in getrennten Räumlichkeiten befinden, werden in den Niederlanden zunehmend mit Drogenkonsumeinrichtungen kombiniert (Niederländischer Reitox-Knotenpunkt, 2016).

Die Entstehung neuer Formen des injizierenden Konsums von Stimulanzien, einschließlich neuer psychoaktiver Substanzen, bringt möglicherweise erhöhte Risiken für die Drogenkonsumenten mit sich. In diesem Zusammenhang wurden in mehreren europäischen Städten Forderungen nach der Einrichtung von Drogenkonsumräumen laut, die derzeit Gegenstand der politischen Debatte sind. Als Anbieter niedrigschwelliger Dienste, die in unmittelbarem Kontakt mit den Drogenkonsumenten stehen, bekommen die Mitarbeiter der Drogenkonsumräume häufig als Erste Einblick in neue Muster des Drogenkonsums und spielen damit eine Rolle bei der frühzeitigen Ermittlung neuer und sich abzeichnender Trends in den besonders gefährdeten Populationen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen.

Footnotes

(1) Ohne die Einrichtungen in den Niederlanden.

References

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  • Niederländischer Reitox-Knotenpunkt (2014), „2016 Workbook Harms and harm reduction“, bei der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht eingereicht, nicht veröffentlicht.

Video: Drogenkonsumräume

Fakten und Zahlen

Abbildung: Standorte und Zahl der Drogenkonsumräume in Europa

Leistungsmodell für einen hypothetischen Konsumraum mit Zielsetzungen der öffentlichen Gesundheit und Ordnung

Hauptkomponenten Bewertung und Aufnahme Überwachter Konsumbereich Sonstige Leistungen Vermittlung
Umsetzungsziele
  • Prüfung des Nutzungsanspruchs, Kontrolle der offiziellen Zugangskriterien
  • Bereitstellung von Informationen über die Funktionsweise des Drogenkonsumraums/die Hausordnung
  • Aufklärung über Risikoprävention/sicheren Konsum
  • Ausgabe hygienischer Spritzbestecke
  • Einholung von Informationen über die zu konsumierenden Drogen
  • Bestimmung des individuellen Bedarfs (z. B. Bewertung des Gesundheitszustands)
  • Gewährleistung eines weniger riskanten und hygienischeren Drogenkonsums
  • Überwachung des Konsums und Sicherstellung der Einhaltung der Hausordnung (z. B. keine Weitergabe von Drogen und kein Drogenhandel)
  • Angebot einer maßgeschneiderten Beratung über sicheren Drogenkonsum
  • Leistung von Notfallhilfe bei Überdosierungen und Nebenwirkungen
  • Bereitstellung eines vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützten Raums für den Drogenkonsum
  • Unterbindung des Aufenthalts der Besucher in der Umgebung der Einrichtung (Zusammenarbeit mit der Polizei)
  • Überwachung der Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Besucher, die den Konsumbereich verlassen haben
  • Leistung einer medizinischen Grundversorgung: Abszess- und Wundbehandlung
  • Bereitstellung von Getränken, Lebensmitteln, Kleidung und Duschen
  • Leistung von Krisenbetreuung
  • Angebot eines Nadel- und Spritzenaustauschprogramms / Bereitstellung sicherer Behälter für benutzte Nadeln
  • Angebot weiterer Leistungen in derselben Einrichtung, wie beispielsweise Unterkunft, Fallmanagement, Beratung, Behandlung
  • Aufklärung über Behandlungsoptionen
  • Motivation der Besucher, weitere Behandlungsdienste in Anspruch zu nehmen
  • Vermittlung der Besucher an andere Dienste, wie beispielsweise Entgiftung, Substitutionsbehandlung, Unterkünfte, Sozialfürsorge, medizinische Behandlung
         
Angestrebte Ergebnisse
  • Kontaktaufnahme zu schwer erreichbaren Gruppen
  • Ermittlung und Überweisung von Besuchern, die medizinische Hilfe benötigen
  • Eindämmung der unmittelbar mit dem Drogenkonsum verbundenen Risiken
  • Verringerung von Morbidität und Mortalität
  • Stabilisierung und Verbesserung des Gesundheitszustands der Besucher
  • Eindämmung von Störungen der öffentlichen Ordnung
  • Sensibilisierung der Besucher für die Behandlungsoptionen und Förderung der Inanspruchnahme einschlägiger Dienste durch die Besucher
  • Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, dass sich die Besucher an Behandlungsdienste vermitteln lassen
     
  • Überleben
  • Verbesserte soziale Integration

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